Shokuho „Tairagwaa“ Agena

* Info: Die nachfolgenden Informationen sind nicht alle wissenschaftlich belegt! Es handelt sich um eine „nette Information, um Geschichten die sich erzählt werden. Beachte bitte die Quellenangabe! Kenntnisse und Beweise können mittlerweile revidiert oder ergänzt sein! Trotzdem wird ein gewisser „Eindruck“ der alten Meister geweckt. Viel Spaß beim Lesen 🙂

In Okinawa gibt es einen kleinen Ort namens Gushikawa. Er liegt abseits der ausgetretenen Pfade und ist bei den heutigen Schülern nicht allzu bekannt, aber es war einst Schauplatz einer der schillerndsten Legenden der Kampfkünste.

In dem Dorf gibt es einen bestimmten Baum, der noch immer für viel Gesprächsstoff unter den Anwohnern sorgt. Berühmt wurde dieser Baum um die Jahrhundertwende, als ein Dorfbewohner namens Shokuho „Tairagwaa“ Agena in die Geschichte einging.

Agena, der den Spitznamen „Tairagwaa“ (kleiner, ruhiger Mann) trug, wurde 1870 in dem winzigen Dorf als erster Sohn einer Familie aus der oberen Mittelschicht geboren. Als Jugendlicher begann er als einer der ersten Nicht-Adligen mit dem Karate-Studium und wurde, obwohl er nur ein Bürgerlicher war, liebevoll als lebender „Bushi“ (Samurai-Krieger) bezeichnet.

Trotz seiner geringen Körpergröße war er von dem Gedanken besessen, ein Mann der „eisernen Faust“ und der „stählernen Finger“ zu werden. Er verfolgte dieses Ziel mit äußerster Hingabe und entwickelte schließlich eine Faust wie „Thors Hammer“. Anders als die meisten Karatemeister eröffnete Agena nie eine Schule, sondern arbeitete ausschließlich für sich selbst, mit seinen eigenen Fäusten und Fingern, bis diese zu den unglaublichen Leistungen fähig waren, für die er heute bekannt ist.

Eines Tages, so die Legende, besuchte Agena seinen Freund Tengan Matsu. Tengan wusste, dass Agena seine Hände in einem Maße entwickelt hatte, das an das Übernatürliche grenzte. Tengan öffnete eine Flasche Sake und sagte nach ein paar Schlucken: „Agena, ich schließe eine Wette mit dir ab. Ich wette, dass ich die Rinde dieses Baumes schneller abreißen kann als du. Der Wetteinsatz sind fünf Pfund Fleisch. Was sagst du dazu?“ „Vergiss es“, antwortete Agena und lächelte. „Trink aus. Es ist eine dumme Wette.“ „Nein, ich meine es ernst“, beharrte Tengan. „Aber es gibt eine Bedingung. Ich benutze meine Sichel, und du benutzt deine Hände. Schließlich bist du der Mann mit der eisernen Faust und den stählernen Fingern.“ Tengan lächelte und war sich sicher, dass selbst Agena eine solche Wette nicht eingehen würde. Da sprang Agena auf und sagte: „Mach dich bereit, mir fünf Pfund Fleisch zu kaufen.“ Er rannte zum Baum, und Tengan folgte ihm mit seiner Sichel. Tengan rief den Dorfvorsteher als Schiedsrichter, und sie begannen. Tengan dachte: „Agena muss betrunken sein. Ich frage mich, warum er sich auf eine solche Wette eingelassen hat. Wie kann er die Sichel schlagen?“ Agena schlug wiederholt mit der Faust auf den Baum, lockerte die Rinde und riss sie mit seinen Fingern ab. Die Rinde löste sich in breiten Streifen. Innerhalb von zwei Minuten hatte er einen acht Fuß langen Streifen abgeschlagen und abgerissen, während Tengan gerade einmal ein Drittel davon geschafft hatte. Tengan warf sein Werkzeug weg und gab sich geschlagen. Inzwischen hatten die Dorfbewohner von der Wette gehört, sich um den Baum versammelt und fragten sich, wie Agena sein Kunststück vollbracht hatte. Tengan ging auf den Marktplatz und kaufte das Fleisch. Zusammen mit dem Dorfvorstehers und seiner Familie vertilgten die beiden Freunde das Fleisch und ein paar zusätzliche Krüge Sake, denn Erfolge sollen gefeiert werden…

Auch wenn Agena ein großer Kampfkünstler war, kann man ihn nur durch die Geschichten, die über ihn erzählt werden, wirklich würdigen. Einer dieser Geschichten ist die folgende.

Agena reiste häufig von Gushikawa nach Shuri, um Unterricht bei Sokon Matsumura zu nehmen. Eines Tages, nach einem harten Training mit seinem Lehrer, beschlossen Agena und sein Freund Tengan Matsu, eine andere Route zurück zu seinem Dorf zu finden. Als sie am Dorf Katabaru vorbeikamen, hörten sie ein lautes Klopfen. Neugierig geworden, gingen sie zur Quelle des Lärms und fanden sich vor einer Küferei wieder, in der Holzfässer und -kübel hergestellt wurden. Tengan, in einer seiner übermütigen Stimmungen, ließ alle in Hörweite wissen, dass das Dorf Gushikawa das Beste von allem produzierte. „Hier in der Gegend“, so Tengan, „benutzt man die Kama (Sichel), um Bambus zu schneiden. Wir in Gushikawa benutzen nie die Kama.“ Der Fassbinder von Katabaru, der vor seinem Laden saß und mit der Kama Bambusstreifen für ein Fass schnitt, hielt inne und sah auf. Tengan fuhr fort: „In Gushikawa benutzen wir unsere Hände. Die Kama sollte für feine Präzisionsarbeiten benutzt werden, um die rauen Kanten abzuschleifen. Das ist alles.“ Inzwischen war der Fassbinder irritiert. Er hatte zugesehen, wie Tengan herumstolzierte, und konnte sich nicht mehr beherrschen. „Du da!“, platzte der Fassbinder heraus, „Wenn du so gut bist, wie du behauptest, gebe ich dir fünfzig Yen. Aber wenn du es nicht kannst, was gibst du mir dann?“ „Wir haben kein Geld“, verkündete Tengan, „aber ich sage euch was. Wenn wir scheitern, lassen wir unsere Kleider hier.“ „Nun, eure Kleider sind keine fünfzig Yen wert, aber sie werden reichen.“ „Siehst du diesen Kerl hier?“ Tengan deutete auf Agena. „Er ist der schwächste und ungeschickteste der Männer im Dorf Gushikawa, ich werde es ihn beweisen lassen, wenn es dir nichts ausmacht.“ Der Fassbinder zuckte mit den Schultern. „Der Junge? Der ist doch nichts weiter als ein „Hemd“.“ Aber er nickte zustimmend und ging in seinen Laden. Tengan flüsterte Agena zu: „Der Küfer denkt, er kommt mit einem Kinderspiel davon. Nur dieses eine Mal, und ich verspreche, nie wieder einen solchen Streich zu spielen.“ Der Küfer kam mit einer Bambusstange von drei Zoll Durchmesser aus seinem Laden. Agena ergriff den Bambus, zerquetschte ihn mit der Hand und fragte: „Wie viele Stücke willst du?“ Dann riss er mit seinen Fingern Streifen ab, während der Fassbinder ungläubig auf die fantastische Demonstration von Stärke starrte. „Ich frage mich, was die ausgewachsenen Männer in Gushikawa tun können“, murmelte der Fassbinder und reichte Tengan die passenden fünfzig Yen.

Zu Agenas Zeiten gab es im Dorf Gushikawa ein großes öffentliches Badehaus. Dieses Badehaus steht noch heute und zeugt von der fantastischen Geschicklichkeit, die Agena an einem schönen Winternachmittag an den Tag legte. Agena machte es sich zur Gewohnheit, jeden Nachmittag in diesem Bad zu baden. Der Gehilfe des Badehauses, Tengan Yama, ein entfernter Cousin von Tengan Matsu, wollte unbedingt Agenas geheime Techniken sehen. Er bedrängte Agena täglich, ihm einige seiner geheimen Techniken zu verraten, aber ohne Erfolg. An einem schönen Winternachmittag, als Agena gerade ein Bad nahm, kam Tengan Yama auf ihn zu und sagte: „Ich hatte noch nie das Vergnügen, die geheimen Techniken eines Karatemeisters zu sehen. Bitte zeige sie mir. Ich bin ein alter Mann, und bevor ich sterbe, möchte ich wenigstens einmal das Vergnügen haben, deine Technik zu sehen.“ Da Agena gut gelaunt war, lächelte er, stand auf und sagte: „Sieh gut hin, Yama!“ Er stieß mit beiden Händen auf die Trennwand zwischen der Männer- und der Frauenabteilung und setzte sich. Yama wartete einen Moment, rieb sich die Augen und sagte: „Ich sehe kein Geheimnis. Was ist das Geheimnis?“ „Sieh dir die Trennwand an. Dort ist mein Geheimnis, wenn du es ein Geheimnis nennen willst“, sagte Agena und fuhr fort, sich selbst zu baden.

Yama schaute auf die Trennwand, und seine Augen weiteten sich vor Erstaunen, denn dort, wo Agenas Finger eingedrungen waren, waren zehn Löcher. Agena hatte so blitzschnell zugestochen, dass der alte Mann dachte, er hätte nur eine Bewegung in der Luft gemacht. Tengan Yama konnte seinen Mund nicht mehr halten. Er erzählte jedem, den er sah, von dem Vorfall, und wenn die Leute ihm nicht glaubten, nahm er sie mit ins Badehaus und zeigte ihnen die Löcher. Die Geschichte verbreitete sich bald in ganz Okinawa. Die Menschen kamen von nah und fern, die Gläubigen und die Skeptiker gleichermaßen. Sie alle kamen, um Agenas Kunststück zu sehen. Tengan Yama, der ein schlaues Kerlchen war, erhöhte den Preis für das Bad. Als immer mehr Menschen das Badehaus besuchten, wurde Yama reich, und das Badehaus wurde zu einer Sehenswürdigkeit. Schließlich kamen auch die Kampfsportler, und der Ruhm von Agena wuchs proportional zu der Zahl derer, die nach Hause gingen und die Nachricht verbreiteten. Ein bestimmter Sensei namens Itokaze brachte alle seine Schüler mit, um Agenas Kunststück zu sehen. Itokaze sagte: „Das kann nur ein Meijin geschafft haben“.

Im Jahr 1920, im Alter von 50 Jahren, vollbrachte Agena wahrscheinlich seine größte Leistung. Zu dieser Zeit herrschte eine große Dürre, und das Wasser wurde sorgfältig in Fässern gelagert. Eines Tages schlug der Dorfvorsteher allgemeinen Alarm, und alle versammelten sich auf dem Dorfplatz. Der Dorfvorsteher wandte sich an alle: „Ich habe die Nachricht erhalten, dass viele der Wasserfässer undicht sind, und bevor wir einen Küfer in dieses winzige Dorf kommen lassen können, werden wir das meiste Wasser verloren haben. Das ist eine schreckliche Krise. Hat jemand einen Vorschlag?“ „Ruft Agena! Er wohnt hier in diesem Dorf. Wir brauchen keinen Küfer. Er kann uns helfen“, rief jemand aus der Menge. Auf den Ruf hin reparierte Agena die Fässer mit seinen bloßen Händen. Zum Erstaunen aller Anwesenden zog er die Verschlüsse nur mit den Fingern fest. Es gibt viele solcher Geschichten über Agena und seine stählernen Finger, aber es heißt, er habe nie einen anderen Menschen verletzt und in Zeiten der Selbstverteidigung seine Angreifer lediglich überwältigt, anstatt sie zu töten. Er starb im Jahr 1924 im Alter von 54 Jahren.

Quelle: „The weaponless WARRIORS“, Richard Kim, ISBN 0-89750-041-5, aus dem Englischen übersetzt von Franz Wittmann